
Chalandamarz
Chalandamarz – Der rätoromanische Brauch zur Vertreibung des Winters
Chalandamarz ist ein traditionelles Frühlingsfest im Engadin und anderen rätoromanischen Regionen der Schweiz. Es wird jedes Jahr am 1. März gefeiert und ist ein wichtiger Bestandteil der lokalen Kultur und des Brauchtums. Der Name „Chalandamarz“ leitet sich vom lateinischen „calendae Martiae“ ab, was „die Kalenden des März“ bedeutet und auf den Beginn des Frühlings hinweist. Dieses Fest, das vor allem für Kinder und Jugendliche eine grosse Bedeutung hat, steht im Zeichen der Vertreibung des Winters und der Begrüssung des Frühlings.
Ursprung und Geschichte des Chalandamarz
Der Ursprung des Chalandamarz reicht bis in die römische Zeit zurück. Im römischen Reich markierte der 1. März den Beginn des neuen Jahres, und auch in den rätoromanischen Gebieten der Schweiz wurde dieses Datum zum Symbol für den Wechsel der Jahreszeiten. Chalandamarz ist ein uralter Brauch, der darauf abzielt, den Winter zu vertreiben und den Frühling willkommen zu heissen.
In den Bergdörfern des Engadins war das Ende des Winters eine besonders wichtige Zeit. Die Rückkehr der Wärme bedeutete das Ende der harten Wintermonate und den Beginn der landwirtschaftlichen Saison. Daher entwickelte sich Chalandamarz als fröhliches Frühlingsfest, bei dem mit lautem Glockengeläut und Gesang symbolisch der Winter vertrieben und das Erwachen der Natur gefeiert wurde.
Traditionelle Bräuche und Aktivitäten
Im Mittelpunkt von Chalandamarz stehen die Kinder und Jugendlichen der Dörfer, die als Hauptakteure des Festes gelten. Schon Tage zuvor beginnen sie mit den Vorbereitungen: Die Jungen ziehen ihre traditionellen Trachten an und bereiten sich darauf vor, mit grossen Kuhglocken und Peitschenlärm durch die Strassen zu ziehen. Sie schwingen die Glocken rhythmisch und erzeugen dabei laute, klangvolle Töne, die den Winter und die bösen Geister vertreiben sollen.
Zusätzlich zu den Glocken tragen die Jungen auch bunte Hüte und traditionelle Kostüme, die das Fest noch farbenfroher und festlicher machen. Während des Umzugs durch das Dorf singen die Kinder alte rätoromanische Lieder, die den Frühling herbeirufen und die Dorfbewohner auf das neue Jahr einstimmen.
Ein weiteres Highlight des Chalandamarz-Festes sind die Umzüge der Kinder durch die Dörfer. Dabei ziehen sie von Haus zu Haus, sammeln Geld und kleine Gaben, die später oft für das gemeinsame Feiern verwendet werden. Besonders beliebt ist der Abschluss des Festes in der Dorfhalle, wo Tänze und Spiele für die Kinder organisiert werden.
Chalandamarz in der modernen Zeit
Trotz der modernen Zeiten hat Chalandamarz seinen traditionellen Charakter bewahrt und wird in den rätoromanischen Regionen der Schweiz mit grosser Hingabe gefeiert. In vielen Dörfern, besonders im Oberengadin, sind die Vorbereitungen für das Fest eine Herzensangelegenheit, und Kinder lernen schon früh die Lieder und Bräuche, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Obwohl Chalandamarz vor allem ein Kinderfest ist, beteiligen sich auch Erwachsene an den Feierlichkeiten. Für die Dorfgemeinschaft ist es eine Gelegenheit, zusammenzukommen und den Wechsel der Jahreszeiten zu feiern. In vielen Dörfern gibt es nach den Umzügen auch Feste mit Musik, Tanz und kulinarischen Spezialitäten, die den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken.
Chalandamarz in der Populärkultur
Das Fest von Chalandamarz hat auch Eingang in die Schweizer Populärkultur gefunden. Bekannt wurde es durch den Schweizer Kinderbuchklassiker „Schellen-Ursli“ von Selina Chönz und Alois Carigiet. Die Geschichte handelt von einem Jungen, der während des Chalandamarz-Festes die grösste und lauteste Glocke haben möchte, um sich damit vor den anderen Kindern zu behaupten. Diese Erzählung hat das Fest weit über das Engadin hinaus bekannt gemacht und ist fest mit der Schweizer Kindheit und Kultur verbunden.
Fazit
Chalandamarz ist ein lebendiger und einzigartiger Brauch, der tief in der rätoromanischen Kultur verankert ist. Mit seinem farbenfrohen Umzug, dem lauten Glockengeläut und den traditionellen Liedern ist es ein Symbol für den Beginn des Frühlings und den Abschied vom Winter. Dieses Fest bietet einen wertvollen Einblick in die alten Traditionen der Schweiz und zeigt, wie wichtig die Pflege von Bräuchen für den Erhalt der kulturellen Identität ist. Für die Menschen im Engadin und anderen rätoromanischen Regionen ist Chalandamarz ein unersetzlicher Teil des Jahreskalenders, der nicht nur Freude und Gemeinschaft bringt, sondern auch die Verbindung zur Natur und ihren Zyklen feiert.
